„24 Stunden in … Berlin“

Der Fernsehturm am Alexanderplatz (dpa).

„Berlin, du bist so wunderbar … Berlin …“ Anna und ich singen. Nicht, dass wir das nach dem einen oder anderen gemeinsamen Kneipenbesuch noch nie getan hätten. Diesmal aber ist es anders. Erstens, weil es zwar auch früh morgens ist, wir aber alles andere als angeschickert sind. Und zweitens, weil wir in einem Fernbus mit zu vielen potentiellen Zuhörern sitzen. Aber von vorne.

Es war ein Spontan-Entschluß: Wir fahren nach Berlin. Für einen Tag. Warum nicht? Manchmal muss man ausbrechen, muss Arbeit, Haushalt und sonstiges Alltägliches hinter sich lassen – und wenn es nur für 24 Stunden ist. Die Hauptstadt lag da nahe: Unser Bus (Mein Fernbus; 19 Euro) startet vom Oldenburger ZOB um sechs Uhr morgens und kommt bereits um 12 Uhr mittags am Reiseziel an. Am nächsten Tag fahren wir etwas später von Berlin aus los – man will ja den Abend nicht allzu früh beenden müssen.

Im Bus also Vorfreude. Wir singen – ganz leise natürlich. Dann Stille. Anna dreht sich zu mir um und sagt: „Also, irgendwie könnten wir daraus ja auch was drehen…“; „Wie, ‚was drehen‘?“; „Naja, nen Blog-Beitrag. So à la ’24 Hours…’“.

Ja, könnten wir. Nach 15 Minuten Idee-Austüftelei steht fest: Und machen wir auch. Und zwar gleich eine kleine Serie. Von Oldenburg aus bieten sich schließlich so einige Kurztrips an und essen muss man ja überall. Passt.

„24 Stunden in … Berlin“

Wir sind da. Die Hauptstadt begrüßt uns mit einem stahlgrauen Himmel. Irgendwie finden wir das extrem atmosphärisch. Berlin, wir kommen! Erstmal geht’s aber ins Hotel – kurz frisch machen. Wir haben uns für das Motel One beim Ku’Damm entschieden (Kantstraße 10; um die 70 Euro pro Zimmer). Liegt zentral, Zimmer sind top und der Service ist sehr freundlich.

Dann wird es ganz klassisch: Wir schlendern zum KaDeWe (Tauentzienstraße 21-24). Kein Geheimtipp, wissen wir. Aber der Kuchen sowie der Ausblick im Wintergarten ist einmalig und ein kräftigender Start für lange Shopping-Fußmärsche, die später noch folgen werden. Anna hatte mich netterweise schon in Oldenburg vorgewarnt: Wenn Berlin, dann müsse sie aber auch die Läden unsicher machen dürfen. Wenigstens ein bisschen. War einverstanden. Hatte nur eine Bedingung: Ich trage weder Damenhandtaschen noch etwaige Boutiquetüten. Deal, sagte sie noch.

 

Ein winterlicher Traum im Sommer: der Apfel-Kürbiskern-Walnuss-Kuchen
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Wir sitzen in der siebten Etage des KaDeWe – und staunen: Die Kuchenstücke sind riesig, ersetzen locker eine Mahlzeit. Vor mir liegt ein Käse-Chili-Mango-Prachtexemplar. Gewagte Mischung, aber sie schmeckt. Die Chilis kommen nur leicht im Abgang, die Mango und die cremige Käsekuchen-Konsistenz fangen die Schärfe wunderbar ab. Wirklich mal etwas anderes. Empfehlenswert.

Anna macht einen auf Winter im Sommer: Sie konnte dem Apfel-Kürbiskern-Walnuss-Gigant einfach nicht wiederstehen. Rosinen sind auch drin. Weihnachten pur, findet sie. Superlecker! Mehr versteht man bei ihrem seligen Gemampfe nicht.

Ein kurzer Rundgang noch durch die Feinkost-Abteilung, dann müssen wir uns sputen: Um 15.30 Uhr fängt unsere Tour an. Für 13 Euro und 120 Minuten geht es mit dem Berliner Unterwelten e.V. abwärts. Die Tour M führt uns zu einigen der vielen Mauerdurchbrüche – selbstgegrabene Tunnel, durch die viele DDR-Bürger in die Freiheit nach West-Berlin gelangen wollten. 300 schafften es von 1961 bis 1982. Treffpunkt ist Bad-/Ecke Hochstraße im Ortsteil Gesundbrunnen des Berliner Bezirks Mitte. Unser Tourguide führt die Gruppe hinab, durch Zick-Zack-Gänge, Bahnschächte und Kellergewölbe. Er erzählt und erzählt. Anna und ich sind über so viel Wissen beeindruckt – und fragen nach: Gibt es in seiner Familie Zeitzeugen, ist er selbst Berliner? „Ne“, antwortet er. Gebürtig komme er eigentlich aus Oldenburg. Da kiekste, wa!?

 

Berlin von unten (dpa).
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Genug Geschichte. Auf zum Bikini-Haus. Das denkmalgeschützte Geschäfts- und Bürogebäude an der Budapester Straße ist ein Muß. 2010 wurde es umgebaut. Federführend war der belgische Künstler Arne Quinze – der Ex-Freund von Barbara Becker (danke Anna). Sieht toll aus: Hier gibt es kein Ketten-Einheitsbrei, sondern ganz individuelle Geschäfte und Pop-Up-Stores, die in temporären Modulsystemen aus Holz für drei bis zwölf Monate untergebracht sind. Heute legt im Mittelteil ein DJ auf. Dazu der Blick aus der großen Glas-Front auf das Affen-Gehege des Berliner Zoos. Was will man mehr?

Einen Drink, antwortet Anna. Und schwups sind wir auch schon im Foyer des angeschlossenen 25hours Hotel. Wir wollen aufs Dach in die Monkey Bar. Das entpuppt sich allerdings schwieriger als gedacht: Wir steigen ein in den Fahrstuhl, nichts rührt sich. Wir drücken und drücken. Nichts. Die schwarzen Wände und die Schmetterlings- und Vogelanimationen an den Seiten wirken auf einmal bedrückend. Zack, schnell den Notknopf gedrückt – die Türen gehen auf. Was war da los, fragen wir an der Rezeption. Der Aufzug geht nur mit Hotelkarte und die hat nur, wer Gast ist. Ach so. Wir müssen erst ins Erdgeschoss fahren, aussteigen und dann einen anderen Aufzug nehmen. Ok. Machen wir. Schrecksekunde überwunden.

 

Mal etwas andere Gin-Kreationen.
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Oben angekommen sind wir platt – vom Blick über Berlins Dächer und auf die Gedächtniskirche. Ein Träumchen, der flugs mit zwei außergewöhnlichen Gin Tonics gekrönt wird: Mein Garden & Tonic ist mit Maraschino Likör, Celery Bitter (was immer das auch ist) und Gurke sowie frischer Minze. Und Annas Apple and Pepper Gin Tonic besteht aus hausgemachtem Apfel-Gin, rotem Pfeffer und Tonic (beide 10,50 Euro). Die haben ordentlich Bumms – und insgeheim hoffe ich, dass Anna für die anstehende Shopping-Tour etwas Schachmatt gesetzt ist.

Ist sie auch – aber das verleiht der ganzen Sache eine Wahllosigkeit, die ordentlich ins Geld gehen dürfte, wenn ich mir die Preise in den unzähligen Boutiquen in Charlottenburg-Wilmersdorf so anschaue. Da sind wir jetzt nämlich: im Viertel der seidig glänzenden Stoffe, Nieten besetzten Schuhe und bunt bestickten Taschen. Bitte fragt mich nicht nach den einzelnen Geschäftsnamen – es waren einfach zu viele. Und Anna konnte sich nach ihrem Kaufrausch an kaum etwas erinnern. Und natürlich – ich hätte es ahnen müssen – war die Erschöpfung dann so groß, dass die Kraft für die ein oder andere Tüte doch nicht mehr reichte. Nun ja.

 

Die "Dicke Wirtin" von innen.
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Stärkung! Ein Glück hatten wir schon von Oldenburg aus bei der Dicken Wirtin reserviert. Der Tipp kam von einer Kollegin. Das Restaurant am Savigny-Platz war Teil der TV-Serie „Mein Lokal, Dein Lokal“ – war aber natürlich vorher schon eine Institution.

Die Atmosphäre drinnen ist einmalig: An den Wänden hängen Schilder und Gedöns vom Flohmarkt und das Personal hat die typische Berliner Schnauze, ist aber sehr aufmerksam und auch im größten Stress immer für einen flotten Spruch zu haben. Wir fühlen uns wohl, auch wenn sich die Hitze im Raum nach diesem dann doch sehr sonnigen Tag sammelt. Aber der Weißwein kühlt angenehm und wir kriegen sogar noch flugs eine extra Portion Eiswürfel. Das Essen dauert etwas länger – der Laden ist gut besucht. Das stört Anna und mich aber rein gar nicht – im Gegenteil: Dass die kleine Küche der Dicken Wirtin überhaupt so viele Gäste schafft, ist schon eine Leistung. Und zwar eine, die auch noch verdammt gut schmeckt. Meine Leber Berliner Art (10,90 Euro) mit Salat anstelle Bratkartoffeln (die wären mir dann doch zu schwer bei den Temperaturen gewesen) ist wunderbar zart und das Gemüse knackig. Annas Matjes (8,90 Euro) sind frisch, cremig gebettet und mit viel Zwiebeln garniert – welch‘ ein Ausklang unseres Kurztrips.

 

Wein_Hotel

 

Bei einem Absacker im Hotel beschließen wir: Das machen wir wieder! Mal sehen, wohin es uns als nächstes verschlägt…