„Dahoam“ bei der Brückenwirtin in Oldenburg

„Schee is scho“, sage ich zu GustOL, als wir die Tür zur „Brückenwirtin“ in der Bremer Straße öffnen. Die Wände sind zu drei Viertel mit Holz vertäfelt, darüber hängen Bilder mit bayerischen Motiven. Die große Fensterfornt zur Hunte und zum Biergarten auf der anderen Straßenseite lässt viel Licht in die Räume und gibt den Blick auf die Cäcilienbrücke frei. Toll!

Wir nehmen an einem der hellen Tische Platz und müssen der Gaststätte zugestehen, dass man sie auch gut in Schwabing oder Haidhausen wiederfinden könnte. Auch wenn die Großzügigkeit Münchner Wirtshäuser in unserer Region allein schon an der norddeutschen Architektur scheitert, geht das urig-moderne Prinzip hier doch sehr gut auf.

Neobayerisch, nennt GustOL es. Für ihn könnte es etwas urbayerischer sein. Schnurzpiepegal, kommentiert Mirko das „Ambiente-Gebabbel“. Unser Kollege und hessischer Busenfreund ist zum ersten Mal beim Testen mit dabei und pfeift gerade auf die Feinheiten der gemeinen Restaurantkritik.

Mirko hat Hunger. Und bevor er GustOL ansteckt (zwei Männer mit knurrendem Magen können unerträglich sein), schiebe ich beiden schnell die Speisekarte zu, die der Kellner mit dem dezent bayrischen Auftritt (Karohemd und Lederhose) flugs an unseren Tisch gebracht hat.

Doch die Entscheidung fällt schwer. Sehr schwer. Mirko fasst es für uns mal so zusammen:

 

Der Leberkas mit Spiegelei und Bratkartoffeln
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Ja, nee, is klar. Da geht man mal mit Anna und Gustol essen und die beiden lernen die Speisekarte auswendig. Dabei wartet mein Leberkäse mit Speck-Bratkartoffeln, Spiegelei und Dunkelbiersauce (8,50 Euro) längst auf seine Bestellung. „Ich kann mich nicht entscheiden“, maunzt Anna. Frau halt. Haken dran, wird schon. Aber Gustol! Starrt auf die Speisekarte wie auf sein Abiturzeugnis. Kein Lichtblick weit und breit. Dabei lockt das Schnitzel doch von ganz oben, Top-Aufmacher quasi. Einmal mit Profis arbeiten.

Ich schau lieber aus dem Fenster. Wenn ein Schiff vorüberfährt, lalala. Toll, was diese Cäcilienbrücke alles kann: rauf und runter, wieder rauf, wieder runter. Der muss es eilig haben, trägt sein Rad zwei Treppen nach oben. Die Sonne kommt raus. Ausblick beim Brückenwirt: Nee, wat schön.

So, was is nu? Hunger, Durst, Heimweh. Anna und Gustol diskutieren mit Kellner Carsten über die Öffnungszeiten des Biergartens. Herrje, die haben Nerven. Mein Magen fordert eine Arbeitsgrundlage.

Ah, jetzt geht was. Anna bestellt wild entschlossen Haxe. Und droht mir Sekunden später mit Resteverwertung. „Schaffe ich bestimmt nicht.“ Egal, Hauptsache der Auftrag ist raus.

Und Gustol? Geht nicht ins Risiko heute. „Geschnetzeltes, bitte!“ Kann man machen, muss man nicht.

Netter Laden, klare Strukturen, wenig Nippes. Jetzt nicht wirklich urig, aber gemütlich. Kellner Carsten serviert den Herren am Nebentisch Weißbier und Schnellhärter. Ja, so ist recht, den Feierabend schon mittags einläuten.

Was macht die Brücke? Rauf – und runter. Oh, das Essen kommt schon. Das ging schnell. Gute Portion, ordentlich drapiert. Leberkäse mit Bratkartoffeln und Spiegelei. Kompromissloser Klassiker. Die Punkte gehen nach Bayern.

Schmeckt sogar, mir jedenfalls. Anna kaut zufrieden auf ihrer Haxe herum. Was Gustol vom Geschnetzelten hält? Kann man machen, muss man nicht.

Anna verteilt überschüssige Fleischkruste. Gustol schnappt, beißt, malmt. Plötzlich ein Knacken, seine Gesichtszüge frieren im Entsetzen-Modus ein. „Unkaubar, geht gar nicht“, befindet der verhinderte Gourmet.

Anna lässt sich die Restkeule einpacken. Nicht für den Hund, für den Chef. Von dem man hört, dass er viel reinschaufelt und viel nicht verträgt. Höhö, Keule für den Chef.

Uiiih, ein Dessert gratis. Das muss noch irgendwie rein. Nichts dem Wirt schenken. Die Rechnung ist bezahlbar. Und die Brücke? Bewegt sich nicht.

Ganz schön aufregend, so mit zwei echten Gastro-Kritikern unterwegs und alles inkognito. Streng geheim, quasi, bis zur Veröffentlichung.

Gehe ich mal wieder mit, irgendwohin, wo es keine große Auswahl gibt. Is klar, oder?!

 

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Die halbe Schweinshaxe
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Und das sagen wir zum Essen: 

GustOL: Optisch ist alles perfekt zubereitet – aber schmeckt es auch so gut? Das Geschnetzelte mit Champignons, Seitlingen und Semmelknödel (8 Euro) ist zwar schön fein, aber auch etwas trocken – zum Glück schwimmt es in dieser Rahmsoße, weswegen es nicht weiter auffällt. Die Soße ist geschmacklich eher dezent gehalten mit feinen Pilz-Aromen. Keine Salzorgie, kein Maggi oder Glutamat, womit gerne mal eine Pseudo-Herzhaftigkeit erzeugt wird. Als Nachspeise gibt es eine Art Beerenkompott oder Rote Grütze mit Sahne. Einfach, aber lecker fruchtig.

Anna: Die Kruste meiner halben Haxe (12,90 Euro) könnte rescher sein, an manchen Stellen ist sie eher gnubbelig als knusprig. Das Fleisch hat aber einen tollen Eigengeschmack und ist zart. Ein bisschen mehr von der leckeren Dunkelbiersauce hätte es für mich sein dürfen – davon kann man nie genug haben! Mit den zwei Kartoffelknödeln bin ich absolut zufrieden – nur ganz geschafft habe ich auch sie leider nicht.

 

Essen: 4 von 5
Service: 5 von 5
Ambiente: 4 von 5
Preis/Leistung: 4 von 5

 

Fazit: Ja, da schau her, die Brückenwirtin kann sich sehen lassen. Gute Küche, richtig guter Service und ein dezent modern bayrisches Ambiente. Die Preise sind zwar nicht ohne, aber absolut angemessen.

 

Bremer Str.1, 26135 Oldenburg, Tel.: 0441/ 922 082 11, Öffnungszeiten: Mo–So ab 11.30 Uhr–open end, Mo–Fr Mittagstisch von 11.30–15.00 Uhr, So–Do Küche bis 21.30 Uhr, Fr+Sa Küche bis 22.00 Uhr