Turbo-Bier mit Boris dem Braumeister

Für einige Geschmacks-Grobmotoriker muss Bier einfach nur kalt sein und knallen. Auf der anderen Seite gibt es Bier-Gourmets, die nur ihr selbst in mühevoller Kleinarbeit gebrautes Bier verköstigen. Auf jeden Fall nimmt die Zahl der Hobby-Brauer immer mehr zu. Unser Kollege Boris hat vor kurzem auch damit angefangen. Zwar trinkt er genauso gern ein Helles vom Brau-Giganten aus Bremen, aber er weiß neuerdings auch selbst, was man so mit Hopfen, Malz & Co. anstellen kann. Ein perfekter Moment, um ihn kurz vor dem Oldenburger Bierfest zu besuchen und über die Schulter zu schauen.

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„Für dich, GustOL, geht’s heute etwas schneller“, empfängt er mich in seiner Küche und hält mir eine große, schwarze Dose unter die Nase. „Tarwebier“ steht drauf und drinnen ist ein Konzentrat, um dieses belgische Weizenbier zu brauen. „Konzentrat?“, frage ich stirnrunzelnd. „Einfach Wasser drauf und fertig ist das Turbo-Bier? Ich dachte, wir wollen brauen?“ „Ne, das funktioniert anders als deine Tütensuppen, du Feinschmecker“, spottet Boris augenzwinkernd zurück. „Damit wird tatsächlich gebraut.“

Das Braukonzentrat muss erst mal schön aufgewärmt werden.

Ein richtiges Turbo-Bier wird es dann wohl doch nicht, aber immerhin deutlich schneller produziert als gedacht. Mein Kollege erklärt mir, dass in diesem Malzkonzentrat schon fast alles drin ist, was sonst durch stundenlanges Kochen, Maischen und so weiter hergestellt wird. Als Beispiel kramt er einen großen Beutel mit Gerstenmalzschrot hervor. Dies würde normalerweise mit Wasser angesetzt und erhitzt werden, um den Zucker und die Aminosäuren herauszulösen. Ein ellenlanger Prozess, weil dazu unterschiedliche Temperaturen nötig sind, die jeweils ihre genauen Zeiten brauchen. „Da sitze ich einen halben Tag nur am Kochen, Rühren, Würzen, Filtern und so weiter“, meint Boris. „Am Ende hast du ungefähr das, was konzentriert in dieser Dose ist.“

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Und so machen wir uns ans Werk. Zuerst erhitzen wir den Behälter in einem Wasserbad, damit die Masse nicht so zähflüssig ist – und gießen den Inhalt in einen der riesigen Brau-Eimer, die wir vorher desinfiziert haben. Mein Kollege gießt zwei Liter kochendes Wasser drauf und drückt mir einen Schneebesen in die Hand. „Gut rühren, bis alles eine schöne Suppe ist“. Ich mache mich ans Werk und wundere mich über den Geruch. „Malz-Hustenbonbon“, denke ich. „Wie heißen die doch noch gleich?“ Nach 10 Minuten bin ich durch und wir gießen noch 12 Liter kaltes Wasser drauf, damit wir die angestrebte Braumenge von 15 Litern haben.

Nachdem das Konzentrat mit zwei Litern kochendem Wasser zu einer feinen Malz-Suppe verrührt wurde, wird es in einen neuen Eimer gefüllt. Anschließend kommen noch mal 12 Liter kaltes Wasser drauf.

„Nun müssen wir warten, bis es auf unter 26 Grad abgekühlt ist“, sagt Boris und erklärt mir auch, warum. Um Alkohol und Kohlensäure herzustellen, benötigt die Mischung Hefe – und die arbeitet am besten bei einer Temperatur von 18 bis 27 Grad. „Hefe ist auch nur ein Mensch“, werfe ich ein. Hefe ist sowieso ein Thema für sich. Nimmt man wenig, dann hat das Bier wenig Alkohol und bleibt eher süß. Nimmt man viel, kann nach dem Abfüllen in den Flaschen zu viel Kohlensäure produziert werden und die Gefäße platzen.

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Zwischendurch kontrolliert Boris immer wieder die Temperatur – und dann gibt er das Kommando: „So GustOL, jetzt noch mal mit dem Schneebesen alles geben – wir brauchen Sauerstoff!“ Der Sauerstoff sei nötig, damit die Hefe die Zucker- und Eiweißmoleküle richtig verarbeiten kann. 15 Minuten später, mit ordentlich Schweiß auf der Stirn und Schaum auf dem Gebräu, ist es soweit und die Hefe landet im Eimer. Noch mal fix umgerührt und den Deckel drauf.

Bevor die Hefe hinzukommt, wird das Gemisch noch mal ordentlich gequirlt. Dadurch reichert sich in der Flüssigkeit der Sauerstoff an, den die Hefe benötigt.

„Und wann können wir es trinken?“, frage ich Boris. „In sechs Wochen“, sagt er nüchtern und geht zum Kühlschrank. „Ich hab‘ da aber schon mal was vorbereitet, sollst mir ja nicht verdursten.“ Und schon drückt er mir eine kalte Flasche in die Hand. Boris‘ Brau-Experiment vom letzten Mal, aber noch nach klassischer Weise hergestellt.

Ich nehme einen kräftigen Schluck und muss kurz stutzen. „Interessanter Geschmack“, sage ich, „was haste da denn noch reingekippt?“ Mein Kollege erklärt mir, dass die besondere Note seines Sommerbiers vom Efeu-Honig kommt, den er noch für die Hefe zum Verstoffwechseln dazugegeben hat. Honig besteht zum größten Teil aus Zucker und wird ebenfalls in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Mit der zusätzlichen Geschmacksnote als Bonus.

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Ganz wichtig: die Hefe. Sie verstoffwechselt die Zucker- und Eiweißmoleküle zu Alkohol und Kohlensäure.

In anderen Ländern wie zum Beispiel Belgien ist es durchaus üblich, das Bier so oder so ähnlich zu pimpen und was Besonderes herzustellen. „Auf diese Weise machen die auch mein geliebtes Kirschbier“, erklärt Boris.

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In den kommenden Tagen wird Bierfreund Boris immer wieder mal mit einem Hydrometer den Zuckergehalt des Geschmischs messen. Bleibt dieser nach einer gewissen Zeit konstant, füllt er das Bier in Flaschen ab. Vorher empfiehlt es sich, noch etwas Zucker in Form von Malz oder Haushaltszucker hinzuzugeben, um die Hefe noch mal ein wenig zu befeuern, damit sie Kohlensäure produziert.

Wirklich lecker: Boris‘ Sommerbier mit feiner Efeu-Note.

Ich freu‘ mich schon auf den Hopfen-Tropfen, der in wenigen Wochen meine durstige Kehle frohlocken lässt. Bis dahin helfe ich mir mit dem einen oder anderen Gläschen auf dem Oldenburger Bierfest.