Liebeserklärungen – Welches Bier wir gerne trinken

Craft-Bier? Lange Zeit kannte ich nur Kraft-Futter – und das ist für den menschlichen Gaumen nicht unbedingt ein Genuss. Dafür sind Kühe ganz wild drauf. Dieses Craft-Bier, das beim Oldenburger Bierfest so gefeiert wird, legt den Fokus auf die handwerkliche Braukunst und wird häufig von kleinen Brauereien hergestellt. Fernab der Devise „Holsten knallt am dollsten“ steht bei den Craft-Bier-Liebhabern der Genuss für das Besondere im Mittelpunkt. In diesem Sinne habe ich meine Kollegen von NWZonline nach ihren Lieblingsbieren gefragt. Nachdem wir bei unserem Craft-Bier-Test etwas kritischer waren, kommen jetzt ein paar Liebeserklärungen.

GustOL, NWZonline-Gastrokritiker:
Chimay bleue

Es war nur ein Tag, genauer ein Nachmittag, in einer schummrigen Bar in Maastricht, an dem ich in den Genuss von Chimay bleue kam. Wie eine heiße, kurze Affäre mit einer exotischen Schönheit. Kurz, aber unvergesslich. Chimay bleu ist ein belgisches Trappistenbier und wird in einem schalenartigen Glas serviert, damit es sein volles Aroma entfalten kann. Und das hat es in sich: Mehrere Komponenten wie Malz oder die Süße von getrockneten Früchten sind deutlich spürbar. Zusammen mit einem blumigen Duft und sanften Caramel-Noten umtanzen sie voller Harmonie den mächtigen Alkoholgehalt (9 Prozent) und lassen diesen fast unbemerkt bleiben. Wenn man das erste Mal seine Lippen in den cremigen Schaum taucht und einen Schluck von diesem dunklen Bier nimmt, ist es ein magischer Moment. Wahrlich: Diese Mönche der Abtei Notre-Dame de Scourmont in Chimay haben ein Kunstwerk geschaffen.

Anna, NWZonline-Gastrokritikerin und GustOLs rechte Hand
Augustiner Bräu

In meiner Münchner Zeit habe ich ja so einiges an Bieren probieren dürfen, aber mein Herz gehört nur dem guten, alten Augustiner-Bräu. In seinen leicht bauchigen, braunen Flaschen kommt es ein wenig altmodisch daher, aber das macht auch den Charme dieses guten Tropfens aus. Das Malz für dieses Bier wird in einer sehr aufwendigen, traditionellen Form hergestellt. Und dieses alte Handwerk schmeckt man auch. Es ist wunderbar aromatisch vollmundig und so richtig süffig. Man trinkt und genießt, trinkt und genießt. Das Augustiner ist anders. Nicht nur ein Bier, sondern irgendwie auch ein Lebensgefühl.

Jonas Schönrock, NWZ-Volontär:
Rothaus Tannenzäpfle

Es war während eines Urlaubs im Schwarzwald, als ich mich verliebt habe – sie hieß Birgit, trug Trachtenkleidung und hatte in jeder Hand ein Glas Bier. Und sie lächelte mich an – vom Etikett einer Flasche Rothaus Tannenzäpfle, der Kultmarke der Badischen Staatsbrauerei Rothaus im Hochschwarzwald. Birgit Kraft, so der vollständige Name der guten Frau. Diesen Namen gaben dem Mädel einst Fans der Marke, er setzt sich aus dem alemannischen Aussprache der Phrase „Bier git (gibt) Kraft“ zusammen. Als der kühle Gerstensaft das erste Mal meine Kehle herunterfloss, war es um mich geschehen. Frisch, würzig, aromatisch, nicht zu herb, nicht zu lasch – genau richtig. Der Kenner entfernt nach dem Öffnen vor dem ersten Schluck den Alu-Kragen vom Flaschenhals. Nach einer langen Nacht mit Birgit kann man das aber schon mal vergessen. Der gute Geschmack bleibt allerdings für immer im Gedächtnis.

Norbert Martens, Online-Redakteur:
Haake-Beck Kräusen

Gezapftes und Flaschenbiere sind für mich zwei Paar Schuhe, und frisch aus dem Hahn schmeckt es einfach besser. Hier ist für mich in Oldenburg das Haake-Beck Kräusen erste Wahl. Es ist naturtrüb und sieht für das Laienauge ein wenig aus wie ein Hefe-Weizen. Der Geschmack erinnert leicht an den Duft einer frisch gemähten Wiese. Dazu kommen noch unaufdringliche Hopfennoten, die dem insgesamt milden und weichen Bier einen erfrischenden Charakter geben. Allgemein kann man das Kräusen als sehr süffig bezeichnen, das Glas ist schneller leer, als man denkt. Und das zweite auch. Ebenso das dritte… Jetzt weiß ich auch, woher der Begriff „süffig“ kommt…

Björn Buske, Online-Redakteur:
Lindemans Kriek

Bier mit Kirschgeschmack? „Pfui Spinne“, sagt der deutsche Reinheitsgebotshochhalter. Aber die Belgier, die diesen Traum in Rot herstellen, sind beim Thema Bier einfach sehr viel offener und experimentierfreudiger. „Lindemans Kriek“ ist eigentlich ein „gewöhnliches“ Lambic-Bier, wird allerdings noch mit sehr reifen schwarzen Kirschen versetzt, die Farbe, Geschmack und Namen geben. Auf den ersten Schluck schmeckt das Kriek nach einem nicht zu süßen Kirschsaft, lässt man es aber ein bisschen im Mund tanzen, dann wir es plötzlich ein bisschen säuerlich und sogar herb – allerdings ohne dabei die Zunge zu beizen. Weiterer Vorteil: Mit nur 3,5 % hat das Kirschbier nur wenig Umdrehungen. Allerdings kommt man auch gar nicht erst in die Bredouille, sich mit Kriek betrinken zu wollen: Nach einer Flasche fühlt man sich nicht, als hätte man ein Bier getrunken, sondern vielmehr 5-10 Pausenbrote mit Kirschmarmelade gegessen.

Denis Krick, Online-Redakteur:
Jever

Süße Plörre oder langweiliges 08/15-Pils kommt mir nicht ins Haus, die Hand oder in den Kopf. Das friesisch-herbe Jever muss es sein. Eiskalt und in der Flasche schmeckt es mir am besten. Und manche Jever-Pullen verströmen kurz nach Öffnung einen so wunderschönen Hopfengeruch, dass ich in solchen Momenten sogar voller Genuss meinen Riechkolben an den edlen Flaschenhals halte und das Bier inhaliere. Weiterer Pluspunkt: Ich bekomme von diesem Bier keinen Kater. Ein Nachteil meiner Jever-Abhängigkeit ist allerdings, dass sämtliche andere Biersorten meinen herben Geschmacksvorstellungen nicht mehr genügen – und ich auf Partys/Veranstaltungen/Sportereignissen, die nicht über einen Jever-Vorrat verfügen, meist durstig bleibe. Unvergessen ist auch, als die Jever-Brauerei ihr Produkt Jever Dark in Hamburg feierlich der Presse vorstellte, ich keinen einzigen Schluck davon nahm und der Vorstandschef der Brau & Brunnen AG (damals Besitzer der Marke Jever) mich fragte, warum ich das neue Bier verschmähe. Meine Antwort: Es ist kein Jever.

Timo Ebbers, Online-Redakteur:
Guinnes

Ein Lieblingsbier? Da drängt sich eigentlich nichts auf. Also, es gibt ein Lieblingsbier. Aber es drängt sich nicht auf. Guinness gibt es mindestens in jedem Pub und bietet keine Pilsener Frischeexplosion, keine hefige Heimatduselei  – nur diese zart malzige Süße. Fast hätte ich gar nicht bemerkt, dass ich im Guinness so etwas wie in Lieblingsbier gefunden habe. Wenn da nicht die aufmerksame Bedienung im Pub des Vertrauens wäre, die zur Begrüßung nur noch rein rhetorisch nachfasst: „Kleines Guinness?“